30. August 2016

Der Karfreitag

Ich überdachte meine Optionen. Unser Kühlschrank hatte heute morgen den Geist aufgegeben und wenn wir ihn nicht in Kürze wieder flott machen können, würden wir kaputte Lebensmittel zur Genüge haben. Die Tropen sind in dieser Beziehung gnadenlos und es sah nach einem sonnigen und somit heissen Tag aus. Glücklicherweise war heute Karfreitag, ich hatte frei und darum viel Zeit zur Verfügung. "Nun gut, ich kann den Kühlschrank ja einfach mit dem im MAF-Schuppen tauschen." dachte ich. Dieser war normalerweise sowieso leer und hatte ungefähr die gleich Grösse.
Wir waren gerade daran den Kühlschrank auf den Pick-up zu laden, als Doktor Mike mit den Neuigkeiten auftauchte: Ein Patient mit einer Speerwunde in der Lunge musste von Kawito ins Spital in Kiunga gebracht werden. Der Patient brauchte jedoch eine Drainage im Brustkorb, um die dort angesammelten Flüssigkeiten abzulassen. Sonst würde er nicht mit dem Flugzeug transportiert werden können.
Da war nur ein Hacken: Die einzige Ärztin, welche diese Operation durchführen könnte, war zur Zeit für eine Arztvisite auf der Aussenstation in Obo, 40 Flugminuten südlich von Rumginae. Nach einigem hin und her wurde entschieden, dass ich Dr Sharon zuerst in Obo aufladen und dann nach Kawito zur Operation und Evakuation fliegen würde. Ohne Berücksichtigung der Zeit, die für die Operation gebraucht wird, würde das ganze Vorhaben etwa 3 ½ Stunden in Anspruch nehmen. Da wir aber einen wunderbaren Tag in Aussicht hatten, erwartete ich keine Probleme mit dem Wetter.
Nachdem ich den Ersatzkühlschrank in unserem Haus abgeladen, das Flugzeug aufgetankt und das für die Operation Notwendige eingeladen hatte, machte ich mich auf den Weg für den obligaten Feiertags-Medevac. In Obo angekommen, wollte Dr Sharon noch eine Frau mitnehmen, die sich unwohl fühlte und welche in Rumginae näher untersucht werden sollte. So flogen wir mit einem zusätzlichen Patienten an Bord nach Kawito, während Dr Sharon in der Kabine ihr Wissen über Drainagen anhand eines dicken Fachbuchs auffrischte.
Kurz nach unserer Landung in Kawito wurde der Patient in einem Motorboot gebracht. Genau genommen waren es aber zwei Patienten und ich war froh, dass ich alle Flugzeugsitze mitgebracht hatte. Während Dr Sharon den Patienten untersuchte, wurde unter einem Dach aus Sago-Palmen-Blättern ein provisorischer Operationssaal eingerichtet. Mit Hilfe zweier Krankenschwestern aus dem Spital in Balimo (welches leider keine Ärzte hat) und unter den wachsamen Augen von Neugierigen, fing sie danach an den Ort des Einschnittes seitlich der Brust zu desinfizieren und mit Operationstüchern abzudecken. Kurz nachdem Dr Sharon die ersten Schnitte mit dem Skalpell gemacht, das Blut gespritzt und der Patient sein Unbehagen mit schreien kundgetan hatte, verschwanden die Schaulustigen langsam – ohne Zweifel überzeugt, dass der Verwundete den Tag nicht überleben würde.
Wie erwartet ging aber alles gut und nachdem der Arbeitsplatz geputzt worden war, luden wir die Patienten ins Flugzeug und starteten für Kiunga. Eine Frau, die sich krank fühlte, ein Mann mit einer Speerwunde im Oberkörper und einer mit einer Wunde am Bauch, sowie deren Ärztin und ihr Pilot.
Es war schon spät am Nachmittag, als ich müde aber zufrieden vom Flugzeug zurück zu unserem Haus marschierte. Der Aufwand für den Charter hatte sich gelohnt, denn mit einem einzigen Flug holten wir drei Patienten ins Spital und brachten die Ärztin nach Rumginae zurück. Doch es sollte noch besser kommen. Am nächsten Tag wurde mir erzählt, dass bei der Frau aus Obo eine Eileiterschwangerschaft festgestellt wurde und sie notfallmässig operiert werden musste. Hätten wir sie nicht mitgenommen, wäre sie in der Nacht auf Samstag gestorben.

Der Patient kam mit dem Boot von Balimo nach Kawito

Dr Sharon macht ihr Operationsbesteck bereit

Halbwegs durch die Operation

Ein Airvan voll mit Patienten

Ein Paient wird in Kiunga in die Ambulanz transferiert